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Luftwaffenmuseum Gatow

- Militärhistorisches Museum der Bundeswehr -

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Chronik der Flugabwehrraketen der NATO(von Jürgen Dreifke)

In den 50er Jahren beschloss die NATO für die Luftverteidigung Westeuropas einen Gürtel von festen Flugabwehrraketenstellungen in Nord-Süd-Richtung aufzubauen. Kernstück dieser bodengebundenen Luftverteidigung sollte ein doppelter Raketenriegel im westlichen Teil der damaligen Bundesrepublik von der Nordsee bis zum Bodensee werden. Der Doppelriegel wurde von Flugabwehrraketeneinheiten mehrerer NATO-Staaten unter gemeinsamer Führung betrieben. Die deutsche, niederländische und belgische Luftwaffe waren daran ebenso beteiligt wie die US-Army, das belgische Heer und die französischen Streitkräfte. Jede Nation war für bestimmte Sektoren zuständig, die ähnlich wie die Korpsgefechtsstreifen der NATO-Heereskorps eine national gemischte „Schichttorte“ darstellten. Obwohl sich die Masse dieser Flugabwehreinheiten auf deutschem Boden befand, sollte die Riegelverteidigung vor allem das NATO-Hinterland schützen und einen strategischen Luftangriff des Warschauer Paktes abschrecken bzw. erschweren. Die deutsche Sicherheitspolitik ordnete sich damit voll in das Konzeption der gemeinsamen Bündnistrategie und kollektiven Abschreckung ein.

Als Einsatzsysteme für die Luftverteidigung waren die amerikanischen Raketenssyteme „NIKE“ und „HAWK“ vorgesehen. Die NIKE-Raketen waren im westlichen Riegel für den mittleren und oberen Höhenbereich vorgesehen, während die HAWK-Raketen östlich des NIKE-Riegels gegen Tieffflieger und Flugziele ind mittleren Höhen wirken sollten. Die NIKE-Systeme waren für den Einsatz in festen und geschützten Stellungen vorgesehen, obwohl sie bei Bedarf und längerer Vorbereitung auch verlegefähig waren, da die Hauptkomponenten auf Anhängern verlastet werden konnten. Die HAWK-Raketen waren für einen mobilen Einsatz ausgelegt, wurden aber auch in festen Einsatzstellungen untergebracht, in denen auch sie wie die NIKE-Einheiten im Frieden aus dem Stand jederzeit einsatzbereit waren.

Für die Flugabwehrraketensysteme bestand eine Einsatzbereitschaft rund um die Uhr, um als "Waffe der ersten Stunde" jeder Zeit gegen einen potentiellen Luftangriff des Warschauer Paktes eingesetzt werden zu können. Diese Einsatzbereitschaft war sehr personalintensiv, galt aber als Voraussetzung der damaligen Abschreckungsstrategie.

Die Aufstellung und Stationierung der NIKE-Einheiten begann ab 1958 . Der Aufbau des HAWK-Riegels folgte ab Mitte der 60er Jahre. Die Einheiten wurden zuerst in provisorischen Ausbildungsstellungen auf Militärflughäfen oder Truppenübungsplätzen untergebracht. Ab 1962 verlegten die Batterien in feste und zum Teil verbunkerte Abschuss-und Feuerleitstellungen, die nach taktischen und topographischen Gesichtspunkten ausgewählt wurden. Dies bedeutete oft die Stationierung der Raketenbatterien an bisher militärfernen Orten, die durch eine kleine Neubaukaserne und geheimnisumwitterte mit Zäunen, Türmen, Erdwällen und Bunkern abgeschirmte Anlagen in abgelegenen Außenbereichen zu einer „Garnisonsstadt“ wurden. Nach einer zügigen Anfangsphase verzögerte sich der Ausbau der Infrastruktur aufgrund finanzieller Engpässe, so dass einiger Einheiten erst in den 70er Jahren eine dauerhafte Einsatzstellung beziehen konnten. Noch vor der Fertigstellung des Riegels hatten einige Staaten auch schon wieder mit Reduzierungen begonnen, so dass die Gesamtzahl der Batterien nie stabil war. Die Zahl der NIKE-Batterien dürfte die Zahl 60 nie überschritten haben. So zog Frankreich noch in der Aufbauphase seine Flugabwehreinheiten 1966 aus politischen Gründen ab. Besonderes sicherheitspolitischen Gewicht erhielt die bodengebundene Luftverteidigung durch die Bereitstellung von nuklearen Gefechtsköpfen für die NIKE-Raketen aller Partnerstaaten durch die USA. Die Sprengköpfe blieben in amerikanischem Gewahrsam, der durch besondere US-Kommandos an den NIKE-Standorten sichergestellt wurde. In den 80er Jahren wurden die veralteten NIKE-Systeme außer Dienst gestellt und der Ersatz durch das modernere PATRIOT-System eingeleitet.

Mit dem politischen Umbruch nach 1989 war der Luftverteidigungsriegel natürlich überholt.

Die Partnerstaaten lösten ihre Einheiten auf oder zogen sie in die Heimat ab. Die FlaRakTruppe der Luftwaffe reduzierte ihre Stärke etwas langsamer und gab eine Reihe von Kleinstandorten auf. Die vorhandene Infrastruktur wurde und wird aber zum Teil für Ausbildung und Unterbringung weitergenutzt, auch wenn die Stellungen keine taktische Bedeutung mehr hatten. Der Prozess der Zusammenlegung an zentralen Standorten und die Reduzierung wurde nun mit der 2001 beschlossenen Bundeswehrreform beschleunigt.

In dieser Planung sind künftig sechs Flugabwehrraketengruppen (Nr. 21-26) mit insgesamt 30 PATRIOT-Feuereinheiten vorgesehen, die acht verbleibenden Staffeln des überholten HAWK-System wurden zusammen mit acht ROLAND-Flugabwehreinheiten (Flugabwehr im Nahbereich) in vier gemischten FlaRakGruppen (Nr. 11-15) zusammengezogen. Das HAWK-System wartet auf einen modernen Nachfolger, dessen Entwicklung läuft, ohne dass die Beschaffung finanziell gesichert ist. Langfristig sollen möglicherweise nur noch 24 Flugabwehrraketenbatterien mit PATRIOT und dem HAWK-Nachfolgesystem erhalten bleiben. Das Einsatzkonzept der bodengebunden Luftverteidigung sieht schon heute einen mobilen Einsatz im ganzen Bündnisgebiet vor und hat mit dem statischen Konzept aus den Jahren des Ost-Westkonflikts nichts mehr zu tun.

Diese Planung ist allerdings seit Frühjahr 2003 durch weitere Streichungen schon wieder überholt. Im Mai 2003 wurden im Zusammenhang mit den neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien von Verteidigungsminister Struck weitere Einschnitte und Veränderungen bei der FlaRakTruppe bekanntgegeben. Die vier gemischten Hawk- und Rolandgruppen werden ersatzlos aufgelöst. Der Stab des FlaRakGeschwaders 4 in Burbach ist aufzulösen. Sein Einsatzauftrag endet mit dem Jahr 2003. Die sechs noch verbleibenden FlaRakGruppen (Nr. 21-26) mit Patriot werden im Norden Schleswig-Holsteins, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern in drei Geschwadern zu je zwei Gruppen (Nr. 1,2,5) konzentriert. Die traditionsreichen FlaRakStandorte in Niedersachsen und Westdeutschland werden endgültig aufgegeben. Die FlaRakGruppe 25 aus den südoldenburgischen Standorten Ahlhorn und Barnstorf verlegt nach Leck an der deutsch-dänischen Grenze. Die FlaRakGruppe 21 muss die Höhen des Haarstrangs über dem Möhnesee und die gerade erst bezogene Garnison im nordhessischen Arolsen Richtung Mecklenburg verlassen und die Infrastruktur der aufgelösten FlaGruppe 12 in Sanitz und Cammin bei Rostock übernehmen.

Diese räumliche Konzentration wird die Ausbildung innerhalb der Geschwader erleichtern und Kosten sparen. Allerdings wird sich in den Ballungsszentren Westdeutschlands mit zahlreichen empfindlichen Objekten keine einzige Einheit der bodengestützten Luftverteidigung mehr befinden! Trotz der Mobilität des Patriotsystems, dürften bei einer großräumigen Verlegung im Bedarfsfall viel Zeit vergehen.

Raketenriegel

IST-Zustand nach der Wende: wie geht es weiter ? (Stand: 2007)

Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung am 03.10.1990 ergaben sich direkte Konsequenzen für die Flugabwehrraketenverbände.

Auf rein deutscher Nationalebene sind die Systeme NIKE (auch Pershing) seit längerem abgeschafft. Die Systeme Hawk und Roland sind mittlerweile ebenfalls ausser Dienst gestellt worden. Es verbleiben die sechs moderneren Patriotgruppen mit zusammen 24 Batterien. Es gibt also kein eigentliches FlaRakSystem gegen Tiefflieger mehr und zum Objektschutz stehen nur noch die Fliegerfausttrupps des Objektschutbataillons der Lw und ggf. der beiden verbleibenden Panzerflakverbände des Heeres (Nr. 6 Lütjenburg und Nr 12 Hardheim) zur Verfügung.

Der Schichtdienst rund um die Uhr war nicht mehr notwendig und eine Friedensdislozierung in ausgebauten Einsatzstellungen nicht mehr erforderlich. Die gerade entwickelte FlaRak-Struktur war nicht mehr passend und musste überdacht werden.

Die Personalstärke der verbleibenden Verbände wurde halbiert, drei Hawk-Geschwader aufgelöst, deren Feuereinheiten allerdings neu zugeordnet und die Kommandostruktur dem Namen nach wieder aufgegeben.

1991 kam es im Rahmen des 2. Golfkrieges zu einem ersten Kampfeinsatz im Ausland. Eine Staffel HAWK (FlaRak Bti 36) wurde für den Objektschutz zur Luftwaffenbasis Diyarbakir in der Osttürkei sowie eine ROLAND-Staffel (FlaRakGrp 42) nach Erhac/Türkei verlegt. Unter erheblichen Schwierigkeiten konnte dieser Auftrag ausgeführt werden.

Kurz danach führten Überlegungen im Verteidigungsministerium zu einer neuen Art der Kategorisierung. Diese umfasste Krisenreaktionskräfte (KRK), die in wenigen Tagen verlegt werden konnten und Hauptverteidigungskräfte (HVK) mit besonderen Aufgaben. Zu den KR-Kräften gehörten ab 1993 das FlaRakG 1 „Schleswig-Holstein" und 3 „Oldenburg". Als Einsatzkräfte waren grundsätzlich drei PATRIOT-, zwei HAWK- und eine verstärkte ROLAND-Staffel mit entsprechenden Führungs- und Unterstützungselementen vorgesehen. Der Einsatz sollte möglichst im Verbund erfolgen und der „Cluster-Einsatz" war das Ziel. Die Jahre 1993 bis 1995 waren gekennzeichnet durch eine Vielzahl von Übungen im In- und Ausland sowie Überprüfungen aller Art.

  • 1993: Erste KRK-Auslandsübung von FlaRak-Kräften (Dynamic Mix in der Türkei)
  • 1995: Erste Übung mit FlaRak-Kräften in den USA (ROVING SANDS)
  • 1996: Am 1. Januar 1996 wurden die beiden Krisenreaktionskräfte (KRK) FlaRak der NATO assigniert.
  • 1997: Einsatz von FlaRak-Verbänden bei der Bekämpfung der Oder-Flut.
  • 1999: TacEval während einer KRKÜbung im Ausland (FlaRakG 3 „Oldenburg", BATTLE GRIFFIN in Norwegen) 2000: TacEval während einer KRKÜbung im Ausland (FlaRakG 1 „Schleswig-Holstein", Dynamic Mix in Griechenland)
  • 2002: Einsatz von FlaRak-Verbänden bei der Bekämpfung der Elbe-Flut.

Was ist NRF ?

NRF bedeutet

NATO RESPONSE FORCE

. Besonderes Augenmerk bei dieser militärischen

schnellen Eingreiftruppe

liegt auf der hohen Verfügbarkeit als eingespielte und auftragsgerecht ausgebildete Truppe. Internationalität sowie multinationale Zusammenarbeit spielen eine zentrale Rolle bei der gemeinsamen Intervention und Prävention von Konflikten. Hierfür wurde auf dem Prager NATO-Gipfel im November 2002 der Grundstein gelegt. NRF stellt sicher, dass NATO-Einsatzkräfte innerhalb von fünf bis dreißig Tagen in jedes Krisengebiet der Welt verlegen können und dort einsatzbereit sind. Weiterhin ist vorgesehen, dort über einen längeren Zeitraum autark operieren zu können.

Zweck der NRF

ist es, auf Beschluss des NATO-Rats Krisen, Konflikte und Gefahren weltweit effektiv einzudämmen. Der Umfang der eingesetzten Kräfte hängt grundsätzlich vom jeweiligen Einsatzauftrag ab. Die Zuordnung zur NRF erfolgt für 6 Monate.

  • 2004: Übernahme des NRF-Auftrages durch FIaRakG 1 „S-H" für NATO RESPONSE FORCES (2005) und Beginn der Ausbildung und Vorbereitung.
  • 01.07.2005-17.01.2006: Standby Phase (Abrufbereitschaft) NRF für das FIaRakG 1 „S-H"
  • Ende 2005: Außerdienststellung der letzten HAWK/ROLAND-Gruppe (FIaRakGrp 15)
  • 2005/2006: Ausrüstung der FIaRakG 1, 2 und 5 mit dem Geschwadergefechtsstand (SAMOC)

Gemeinsame Übungen:

In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Übungshäufigkeit der bodengestützten Luftverteidigung im In- und Ausland ständig zugenommen. “Hochwertübungen” erhalten ihren Namen durch den damit verbundenen Aufwand, aber auch durch den erwarteten Ausbildungserfolg.

Im Inland waren dies die Übungen CLEAN HUNTER sowie die Übungen ELITE (Elektronische Kampfführung). Weiterhin waren es meistens die Krisenreaktionskräfte FIaRak, die bei Auslandsübungen zum Einsatz kamen.

In Vorbereitung auf den Einsatz als NATO RESPONSE FORCE (NRF) 5 nahm das FIaRakG 1 Anfang 2005 an der Übung BATTLE GRIFFIN in Norwegen teil.

Darüber hinaus fanden Übungen in den Niederlanden, Dänemark, Portugal und Slowakei statt.

An der Übung ROVING SANDS nahmen seit 1995 fast jedes Jahr ein FIaRak-Geschwader im Rahmen der größten Luftverteidigungsübung der westlichen Welt in Texas/Neu Mexiko/USA teil. Hier standen Einsatz und Auftragserfüllung im multinationalen Rahmen insbesondere unter besonderen klimatischen Bedingungen im Mittelpunkt. Die Fernverlegung (See-, Luft-, Bahn- und Straßentransport) von Material und Personal war eine Herausforderung.

Seit 1996 nehmen die FlaRak-Geschwader an der Übung JOINT PROJECT OPTIC WINDMILL (JPOW) teil.

Unter der Federführung der niederländischen Luftwaffe erfolgt diese multinationale Simulationsübung zur Abwehr von taktischen-ballistischen Flugkörpern. Daran sind jedes Jahr deutsche und amerikanische FIaRak-Kräfte beteiligt.