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Luftwaffenmuseum Gatow
- Militärhistorisches Museum der Bundeswehr -
Flugabwehr, Ortungsgeräte und Raketen
Die Fla-Rakete "Dwina" war das erste Raketensystem der Luftverteidigung des Warschauer Vertrages. Bekannt wurde sie durch den Abschuß des amerikanischen Aufklärungsflugzeuges Lockheed U-2 am 1. Mai 1960 über Swerdlowsk. SA-2 "Guideline" ist der NATO-Codename für die russische S-75
In den 50er Jahren zeigte es sich, dass die Flak-Flugabwehrkanonen nicht mehr den Schutz des Luftraumes garantieren konnten. Die Entwicklung führte zur Flugabwehrrakete (Fla-Rak). Dieses Waffensystem war in der Lage, Ziele in allen Höhenbereichen und bei jedem Wetter mit hoher Trefferwahrscheinlichkeit zu bekämpfen. Mit den ersten Raketen (11 D) konnten Luftziele ab 1000 m Höhe bekämpft werden, diese Höhe verringerte sich nach einer Modernisierung (11 DAM) auf 100 m.
Die Fla-Raketenkomplexe bestanden aus einer Rundblickstation P-12, der Raketenleitstation, der Stromversorgungsanlage und sechs Startrampen. Das komplette System aus zweistufigen Raketen, Radar und anderen Geräten konnte auf Fahrzeugen und Anhängern transportiert werden. Die Raketen konnten folglich nach kurzer Vorbereitung rasch in neue Stellungen verlegt werden.
Das Leitsystem kann nur ein Ziel auf einmal erfassen und mit bis zu 3 Raketen bekämpfen. Die veralteten Radarsysteme sind aber heute durch Elektronische Gegenmaßnahmen ECM (= Electronic Counter Measures ) leicht zu stören .Diese “ECM” beinhalten die aktive Nutzung des elektromagnetischen Spektrums des Flugobjekts, um damit dessen Nutzung durch einen Gegner zu verhindern, zu stören oder zu täuschen.
Im Januar 1959 begann in Ulan-Ude (UdSSR) die Ausbildung der ersten NVA-Soldaten. Ab Juni übernahmen die LSK/LV in Pinnow selbst die weitere Schulung. 1960 fand das erste scharfe Raketenschießen in Ascheluk (UdSSR) statt. Bis zum Jahresende 1960 bezog das Fla-Raketenregiment (FRR) 16 (Bernau) seine Stellungen, ein Jahr später folgte das FRR 17 (Stallberg).
Am 1. Mai 1962 erfuhr die DDR Bevölkerung durch die Teilnahme der FlaRaketentruppen an der NVA-Parade vom Vorhandensein der neuen Waffen. Zeitgleich erfolgte die Eingliederung in das Diensthabende System (DHS) des Warschauer Vertrages. Die hier eingebunden Einheiten standen in einer 10-Tage-Bereitschaft. 1964 war der Aufbau der Fla-Raketentruppen abgeschlossen.
Technische Daten:
Geschwindigkeit | 650 m/sec |
Bekämpfungsreichweite | 5 bis 150 km |
Bekämpfungshöhe | 100 m bis 27.000 m |
Vernichtungszone | 5 bis 35 km |
Antrieb Hauptstufe | Flüssigtreibstoff |
Booster (1. Stufe) | Feststoff |
Gesamtmasse | 2300 kg |
Gefechtskopf | 190 kg |
Länge | 10,7 m |
Durchmesser | 50 cm bis 65 cm |
Spannweite | 2,65 m |
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Geschichte und Einsätze dieser Rakete:
Die SA-2 wurde ab 1959 hergestellt und sollte manövrierende, hoch fliegende Bomber, wie die amerikanische Boeing B-52 Stratofortress, abfangen. Zwischen 1959 und 1964 wurden in der Sowjetunion über 600 SA-2 Raketenstellungen durch amerikanische Aufklärung entdeckt. In den 60er Jahren hatte die UdSSR bis zu 1000 SA-2 Systeme zum Schutz fast aller militärischen, rüstungstechnischen und zivilen Einrichtungen installiert. Auch in der ehemaligen DDR wurden einige SA-2 Regimenter eingerichtet.
1961 wurden erstmals von amerikanischen U-2-Aufklärungsflugzeugen auch SA-2-Stellungen auf Kuba entdeckt. Während der Kuba-Krise wurde am 27. Oktober 1962 eine Lockheed U-2 durch eine SA-2 abgeschossen. Der US-Pilot, Major Rudolph Anderson, kam ums Leben.
Während eines Fluges am 1. Mai 1960 kam es über dem Uralgebirge zu einem spektakulären Zwischenfall. Eine Lockheed U-2 geriet in den Wirkungsbereich der sowjetischen Luftabwehrraketen des Typs S-75 und wurde abgeschossen. Der Pilot namens Powers, der sich mit dem Schleudersitz gerettet hatte, wurde nahe Swerdlowsk gefangengenommen. Der unter großem internationalen Interesse folgende Schauprozess, in dem Powers zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, wurde von den USA als empfindliche Demütigung empfunden. In Folge der Blamage wurden zumindest die Flüge über der UdSSR eingestellt.
Im Vietnamkrieg setzte Nordvietnam SA-2 ein. Schon 1965, kurz nach Beginn der US Luftoffensive Operation Rolling Thunder, wurden die ersten Anlagen installiert. Obwohl amerikanische Aufklärer die Installationen ausmachen und identifizieren konnten, wurden sie zunächst nicht bombardiert. Erst nachdem erste Verluste zu verzeichnen waren, wurden die SAM Stellungen angegriffen. Die SA-2 stellte in Nordvietnam einen zentralen Bestandteil der integrierten Luftverteidigung dar und wurde zur Bekämpfung von hoch fliegenden Zielen eingesetzt. 1972 waren 65 SA-2 Stellungen in Vietnam verteilt. Während der US-Operation Linebacker II im Dezember 1972 an der die USA an 11 Tagen rund 739 Boeing B-52-Angriffe und ca. 1.200 Angriffen von Kampfflugzeugen auf die Städte Haiphong und Hanoi flogen und bombardierten, konnte die nordvietnamesische Luftverteidigung 15 B-52-Bomber und 10 Kampfflugzeuge durch den Typ SA-2 Guideline abschießen.
Während des Jom-Kippur-Kriegs im Oktober 1973 war sie ein wichtiger Schutz für die ägyptische Offensive gegen israelische Stellungen auf dem Sinai und gegen die israelischen Mirage- und Phantom-Kampfflugzeuge.
In Staaten des ehemaligen Warschauer Pakts war die SA-2 weit verbreitet und ist zum Teil bis heute zu finden, obwohl sie technisch inzwischen veraltet ist. Auch in Nordkorea befinden sich noch immer viele Komplexe im Dienst und wurden vermutlich auch verbessert.